Dieser Apell wurde schon oft gehört. Aber um wieviel mehr prägt sich dieser Satz in das Gedächtnis ein, wenn man ihn von einem Zeitzeugen hört?
Abba Noar wird trotz seines fortgeschrittenen Alters nicht müde, von seinem Leben zu erzählen und nahm deshalb die Einladung an, zum wiederholten Male am 16.11.2016 im BBG über seine erschütternden Lebenserfahrungen als Verfolgter und KZ-Häftling während der NS-Zeit zu berichten. Als einer der wenigen Zeitzeugen ist er noch in der Lage, Jugendlichen das Erlebte zu schildern; wobei auch Witz und Charme seinen fast zweistündigen Bericht begleiteten. Die Mädchen der 9. bis 12. Jahrgangsstufe vom BBG dankten ihm dafür mit gebannter Aufmerksamkeit. Sein authentischer Bericht machte viele betroffen und seine Aussage „Ich beneide euch, ihr dürft in die Schule gehen“ beeindruckte tief.


Es ist kaum vorstellbar, dass ein Menschenleben so viel Hunger, Angst, Verlust und Leid aushalten kann: Mit 13 Jahren wurde Abba Naor während des Zweiten Weltkrieges durch den Einfall der Sowjetmacht in seine litauische Heimat aus seiner Kindheit gerissen. Und es wurde noch schlimmer, als die Deutschen das litauische Staatsgebiet 1941 einnahmen. Schnell lernte er, dass er Jude war und nicht, wie er dachte, litauischer Bürger. Nachbarn wandten sich rüde ab, es begann eine Odyssee aus Flucht und Internierung in verschiedenen Lagern, während das katholische Litauen Juden aus ganz Europa aufnahm, um sie massenweise zu erschießen – Männer, Frauen, alte Menschen und kleinste Kinder, alle.
Ob es Zufall war, dass Abba Naor überlebte? Nur weil er im „richtigen“ Teil des Ghettos interniert war? Nur weil er zur „richtigen“ Gruppe gehörte, wenn ein Lagerarzt die Flüchtlinge separierte, Frauen und Kinder nach rechts, arbeitsfähige Männer nach links? Als die Familie 1941 ins jüdische Ghetto im heimatlichen Kaunas umziehen musste, wurde der ältere Bruder Chaim auf offener Straße von SS-Männern erschossen. Eigentlich wollte er nur ein paar Lebensmittel für die Familie ergattern. Die Menschen dachten immer, es könne nicht schlimmer werde, aber mit jeder neuen Verordnung und Anweisung brach noch größeres Leid über sie herein. Die letzte Station von Abba Naor war das Außenlager von Dachau in Landsberg-Kaufering, in dem von Inhaftierten und Zwangsarbeitern eine unterirdische Lagerhalle errichtet wurde, um dort von den Alliierten unbehelligt die Superwaffe für Hitler entwickeln und bauen zu können. Diese sollte den größenwahnsinnigen Nationalsozialisten endlich zum Sieg verhelfen. Abba Naor hatte sich freiwillig für diese Hölle gemeldet, da er hoffte, seinen Vater wiederfinden zu können. Er hat diese entsetzliche letzte Station nach einigen Monaten völlig entkräftet überlebt; seinen Vater aber erst nach der Befreiung durch die Amerikaner am 2. Mai 1945 wiedergesehen. Alle anderen Familienmitglieder überlebten nicht: Seine 38-jährige Mutter kam mit seinem jüngeren Bruder in Auschwitz-Birkenau ums Leben.
Der heute 89-jährige erzählt aus seiner Biografie ohne Anklage an die heutige Jugend, aber jedes Wort ist ein Appell, dass wir heute in der Verantwortung dafür stehen, dass Menschenrechte in diesem Land nie wieder so mit Füßen getreten werden, dass so etwas nie wieder passieren darf!